Landesjugendorchester NRW e. V. und Zukunft Kultur e. V. interpretieren gemeinsam mit mehreren Partnern den Klassiker „Don Carlos“ neu.
„corridors of power“ untersucht auf der Basis von Verdis „Don Carlos“ die Relevanz von Wissen, wie dieses Wissen generiert wird und wer dieses Wissen wofür nutzt. Zentrale Frage ist, wie viel Wissen, Daten, Information jeder einzelne in das System einspeist, was er dabei gewinnt und ob es eine Macht im Hintergrund gibt, die sammelt und steuert. „Don Carlos“ wurde von Verdi mehrmals umgearbeitet. Die Produktion „corridors of power“ stellt sich dem Versuch, eine für die heutige Zeit relevante Fassung zu erarbeiten und schreckt dabei auch vor starken aber notwendigen Eingriffen nicht zurück.
Aus dem 90jährigen blinden Großinquisitor bei Schiller und Verdi, dem scheinbar mächtigen Mann im Hintergrund, werden hier zwölf Gestalten, die als hilfreiche Geister die ganze Handlung tragen. Die Figuren des Spiels bedienen sich dieser Helferlein, die ihnen das Leben angenehmer machen, doch geraten sie dabei mehr und mehr in Abhängigkeit von deren System gemäß Mephistopheles’ Deal: Ich schaffe alles, was du brauchst, aber am Ende gehörst du mir.
So wird die modellhafte Sichtbarmachung von Systemen in das 21. Jahrhundert übertragen und die Frage gestellt: Wie funktioniert ein System und welchen Anteil hat jedes einzelne Individuum daran? Die Figuren der Handlung werden in ihren Charakteren eindeutig inszeniert und entsprechend bekleidet: König Philippe trägt nur eine Lederhose, schwarze Handschuhe und spielt – männlich aber verletzlich – mit bloßem Oberkörper. Er ist Produkt des Systems. Don Carlos wird als Clown entwickelt: ihm gelingt nichts, aber er hat unsere Sympathie. Marquis von Posa versucht sich in unterschiedlichen Erscheinungen und Tarnungen des Systems zu bedienen, immer um Unabhängigkeit bemüht. Eboli flirtet als „Hure“ des Stückes mal mit diesem, mal mit jenen, während die in roten Tüll gepackte Königin Elisabeth, klar in ihrer Rolle als Gattin des Königs, die zwölf Großinquisitoren als Bluthunde füttern wird.
Verdi bat den Librettisten um eine spektakuläre Szene für die Oper und erhielt das Autodafé. Diese Aufführung verweigert sich diesem Spektakel, wagt sozusagen einen Aufstand gegen das Verbrennen von Abtrünnigen und erzählt an dieser Stelle eine alternative Geschichte. Statt der Deputierten von Flandern kommen internationale Chormitglieder auf die Bühne und bringen die Vielfalt und den Reichtum ihrer Kulturen mit, vermischen für einen Moment die fiktive Welt der Inszenierung mit der Realität.
Sowohl die Sänger/innen und Darsteller/innen als auch die Aufführungsorte stellen einen internationalen Kontext dar: Die sechs „stummen“ Großinquisitoren sind mit Geflüchteten besetzt, die seit mehreren Jahren hier in Deutschland beim Verein Zuflucht Kultur e. V. Bühnenerfahrung gesammelt haben. Vervollständigt wird diese Diversität durch die Beteiligung des Landesjugendorchester NRW als „digital natives“ und gleichzeitige musikalische Leistungsträger.
Die Produktion ist eingeladen vom Gentfestival, das sich in 2018 mit dem Schwerpunkt „power“ beschäftigen wird. Gent als Mittelpunkt Flanderns wurde als textimmantenter Aufführungsort ausgewählt. In der Mitte Rumäniens, im Nationaltheater Sibiu, wo verschiedene Völker seit Generationen gemeinsam leben, wird die Aufführung dieses Systeme-Diskurses die geschichtliche Entwicklung in Europa aufgreifen.
Die Oper wird in NRW produziert und sowohl dort als auch in Gent aufgeführt, flankiert von einem Begleitprogramm an allen Aufführungsorten. (Bernd Schmitt)
Einbindung an den Spielorten
Um die Produktion an die Bürger der Stadt anzubinden, Publikum zu gewinnen und auf das Thema aufmerksam zu machen, wird in den einzelnen Städten ein Rahmenprogramm zu den Aufführungen von „corridors of power“ geplant.
Kulturinteressierte der einzelnen Städte werden ab Juli als Kulturpaten für die Produktion fungieren. Sie können Proben in Nottuln besuchen sowie einzelne Mitwirkende als Gastfamilie im Aufführungszeitraum aufnehmen.
In den Wochen vor der Aufführung wird es in ausgewählten Städten Vorträge des künstlerischen Teams zum Thema geben. Geplant ist beispielsweise ein Vortrag von Regisseur Bernd Schmitt über „Das Politische in der Musik“.
Vor der Aufführung wird ein Speedfriending Event stattfinden. Hier sollen Bürger der Stadt einzelne Akteure der Produktion persönlich kennenlernen und ins Gespräch kommen. Gruppierungen könnten sein: Teammitglieder und Bürger, Mitglieder des Landesjugendorchesters und Schüler, geflohene Musiker und Darsteller mit Geflohenen aus einem Flüchtlingsheim oder Begegnungszentrum.
Vor der Aufführung wird es eine Einführungsveranstaltung mit dem Regisseur, dem Intendanten und kulturpolitischen Akteuren geben. Im Anschluss an die Aufführung sind Kamingespräche von Teammitgliedern mit dem Publikum geplant. Eingerahmt werden die Aufführungen außerdem durch ein transkulturelles Catering von Projektküchen vor Ort und Beteiligten.
Dieses Rahmenprogramm wird für jede Stadt in enger Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Stadtmarketing, dem Einzelhandel und der Gastronomie und natürlich dem Spielort eigens erarbeitet und durchgeführt.
Verdi: Don Carlos – corridors of power
Philipp II: Simon Stricker
Don Carlos: Raymond Sepe
Rodrigue: Vladislav Pavliuk
Le Grand Inquisiteur (singend): Tibor Brouwer, Gabriel Klitzing, Andrejs Krutojs, Benoit Pitre, Patrick Ruyters, Pascal Zurek
Le Grand Inquisiteur (spielend): Asef Nemati Amiri, Abdullah Al Amir, N.N., N.N., N.N., N.N.
Élisabeth de Valois: Kristin Ebner
Eboli: Cornelia Lanz
Thibaut/ Une voix céleste: Maria Bernius
Landesjugendorchester NRW
Musikalische Leitung: Sebastian Tewinkel
Regie: Bernd Schmitt
Bühnenbild und Kostüm: Birgit Angele
Maske: Dieter Brenner
Technische Leitung/Licht/Video: Felix Hecker
Korrepetition: Stephen Hess
Choreografie Stepptanz: Pia Neises
Management Orchester: Rita Menke
Musikalische Assistenz: Emanuel Dantscher
Regieassistenz: Manuela Vieira
Assistenz Technik: Simon Riegel
Bühne- und Kostümassistenz: Kathrin Leneke
Requisite: Nadine Bergrath
Inspizienz: Birte Novak
PR/Öffentlichkeitsarbeit: Christina von Richthofen
Übertitel: Nyamka Bayar-Erdene
Crowdfunding: Annika Weiß
Französische Fassung mit deutscher Übertitelung, Dauer: 120 Minuten
Gefördert und unterstützt durch Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, Landesmusikrat NRW, Kunststiftung NRW, Kultursekretariat Gütersloh, Bayer Kultur, Landschaftsverband Rheinland, Andreas und Ute Kohm Stiftung, Julian Prégardien, und von Unterstützer/innen beim crowdfunding auf startnext.
Fotos: Lars Heidrich
Termine
Landesjugendorchester NRW e. V. und Zukunft Kultur e. V. interpretieren gemeinsam mit mehreren Partnern den Klassiker „Don Carlos“ neu.
„corridors of power“ untersucht auf der Basis von Verdis „Don Carlos“ die Relevanz von Wissen, wie dieses Wissen generiert wird und wer dieses Wissen wofür nutzt. Zentrale Frage ist, wie viel Wissen, Daten, Information jeder einzelne in das System einspeist, was er dabei gewinnt und ob es eine Macht im Hintergrund gibt, die sammelt und steuert. „Don Carlos“ wurde von Verdi mehrmals umgearbeitet. Die Produktion „corridors of power“ stellt sich dem Versuch, eine für die heutige Zeit relevante Fassung zu erarbeiten und schreckt dabei auch vor starken aber notwendigen Eingriffen nicht zurück.
Aus dem 90jährigen blinden Großinquisitor bei Schiller und Verdi, dem scheinbar mächtigen Mann im Hintergrund, werden hier zwölf Gestalten, die als hilfreiche Geister die ganze Handlung tragen. Die Figuren des Spiels bedienen sich dieser Helferlein, die ihnen das Leben angenehmer machen, doch geraten sie dabei mehr und mehr in Abhängigkeit von deren System gemäß Mephistopheles’ Deal: Ich schaffe alles, was du brauchst, aber am Ende gehörst du mir.
So wird die modellhafte Sichtbarmachung von Systemen in das 21. Jahrhundert übertragen und die Frage gestellt: Wie funktioniert ein System und welchen Anteil hat jedes einzelne Individuum daran? Die Figuren der Handlung werden in ihren Charakteren eindeutig inszeniert und entsprechend bekleidet: König Philippe trägt nur eine Lederhose, schwarze Handschuhe und spielt – männlich aber verletzlich – mit bloßem Oberkörper. Er ist Produkt des Systems. Don Carlos wird als Clown entwickelt: ihm gelingt nichts, aber er hat unsere Sympathie. Marquis von Posa versucht sich in unterschiedlichen Erscheinungen und Tarnungen des Systems zu bedienen, immer um Unabhängigkeit bemüht. Eboli flirtet als „Hure“ des Stückes mal mit diesem, mal mit jenen, während die in roten Tüll gepackte Königin Elisabeth, klar in ihrer Rolle als Gattin des Königs, die zwölf Großinquisitoren als Bluthunde füttern wird.
Verdi bat den Librettisten um eine spektakuläre Szene für die Oper und erhielt das Autodafé. Diese Aufführung verweigert sich diesem Spektakel, wagt sozusagen einen Aufstand gegen das Verbrennen von Abtrünnigen und erzählt an dieser Stelle eine alternative Geschichte. Statt der Deputierten von Flandern kommen internationale Chormitglieder auf die Bühne und bringen die Vielfalt und den Reichtum ihrer Kulturen mit, vermischen für einen Moment die fiktive Welt der Inszenierung mit der Realität.
Sowohl die Sänger/innen und Darsteller/innen als auch die Aufführungsorte stellen einen internationalen Kontext dar: Die sechs „stummen“ Großinquisitoren sind mit Geflüchteten besetzt, die seit mehreren Jahren hier in Deutschland beim Verein Zuflucht Kultur e. V. Bühnenerfahrung gesammelt haben. Vervollständigt wird diese Diversität durch die Beteiligung des Landesjugendorchester NRW als „digital natives“ und gleichzeitige musikalische Leistungsträger.
Die Produktion ist eingeladen vom Gentfestival, das sich in 2018 mit dem Schwerpunkt „power“ beschäftigen wird. Gent als Mittelpunkt Flanderns wurde als textimmantenter Aufführungsort ausgewählt. In der Mitte Rumäniens, im Nationaltheater Sibiu, wo verschiedene Völker seit Generationen gemeinsam leben, wird die Aufführung dieses Systeme-Diskurses die geschichtliche Entwicklung in Europa aufgreifen.
Die Oper wird in NRW produziert und sowohl dort als auch in Gent aufgeführt, flankiert von einem Begleitprogramm an allen Aufführungsorten. (Bernd Schmitt)
Einbindung an den Spielorten
Um die Produktion an die Bürger der Stadt anzubinden, Publikum zu gewinnen und auf das Thema aufmerksam zu machen, wird in den einzelnen Städten ein Rahmenprogramm zu den Aufführungen von „corridors of power“ geplant.
Kulturinteressierte der einzelnen Städte werden ab Juli als Kulturpaten für die Produktion fungieren. Sie können Proben in Nottuln besuchen sowie einzelne Mitwirkende als Gastfamilie im Aufführungszeitraum aufnehmen.
In den Wochen vor der Aufführung wird es in ausgewählten Städten Vorträge des künstlerischen Teams zum Thema geben. Geplant ist beispielsweise ein Vortrag von Regisseur Bernd Schmitt über „Das Politische in der Musik“.
Vor der Aufführung wird ein Speedfriending Event stattfinden. Hier sollen Bürger der Stadt einzelne Akteure der Produktion persönlich kennenlernen und ins Gespräch kommen. Gruppierungen könnten sein: Teammitglieder und Bürger, Mitglieder des Landesjugendorchesters und Schüler, geflohene Musiker und Darsteller mit Geflohenen aus einem Flüchtlingsheim oder Begegnungszentrum.
Vor der Aufführung wird es eine Einführungsveranstaltung mit dem Regisseur, dem Intendanten und kulturpolitischen Akteuren geben. Im Anschluss an die Aufführung sind Kamingespräche von Teammitgliedern mit dem Publikum geplant. Eingerahmt werden die Aufführungen außerdem durch ein transkulturelles Catering von Projektküchen vor Ort und Beteiligten.
Dieses Rahmenprogramm wird für jede Stadt in enger Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Stadtmarketing, dem Einzelhandel und der Gastronomie und natürlich dem Spielort eigens erarbeitet und durchgeführt.
Verdi: Don Carlos – corridors of power
Philipp II: Simon Stricker
Don Carlos: Raymond Sepe
Rodrigue: Vladislav Pavliuk
Le Grand Inquisiteur (singend): Tibor Brouwer, Gabriel Klitzing, Andrejs Krutojs, Benoit Pitre, Patrick Ruyters, Pascal Zurek
Le Grand Inquisiteur (spielend): Asef Nemati Amiri, Abdullah Al Amir, N.N., N.N., N.N., N.N.
Élisabeth de Valois: Kristin Ebner
Eboli: Cornelia Lanz
Thibaut/ Une voix céleste: Maria Bernius
Landesjugendorchester NRW
Musikalische Leitung: Sebastian Tewinkel
Regie: Bernd Schmitt
Bühnenbild und Kostüm: Birgit Angele
Maske: Dieter Brenner
Technische Leitung/Licht/Video: Felix Hecker
Korrepetition: Stephen Hess
Choreografie Stepptanz: Pia Neises
Management Orchester: Rita Menke
Musikalische Assistenz: Emanuel Dantscher
Regieassistenz: Manuela Vieira
Assistenz Technik: Simon Riegel
Bühne- und Kostümassistenz: Kathrin Leneke
Requisite: Nadine Bergrath
Inspizienz: Birte Novak
PR/Öffentlichkeitsarbeit: Christina von Richthofen
Übertitel: Nyamka Bayar-Erdene
Crowdfunding: Annika Weiß
Französische Fassung mit deutscher Übertitelung, Dauer: 120 Minuten
Gefördert und unterstützt durch Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, Landesmusikrat NRW, Kunststiftung NRW, Kultursekretariat Gütersloh, Bayer Kultur, Landschaftsverband Rheinland, Andreas und Ute Kohm Stiftung, Julian Prégardien, und von Unterstützer/innen beim crowdfunding auf startnext.
Fotos: Lars Heidrich
Termine